Chemotherapie

1/22

Erinnere Dich bitte einmal an die schlimmste Alkoholvergiftung, die Du jemals hattest. Die mit dem Erbrochenen, den Kopfschmerzen und den stundenlangen Sitzungen auf der Toilette.
Hast Du es?
Prima!
Das, was Du als Folgen eines Alkoholexzesses durchgemacht hast, multiplizierst Du jetzt bitte mit dem Faktor fünf.
Und schon hast Du eine ungefähre Vorstellung davon, wie sich eine Chemotherapie mit dem Medikament “Temodal” anfühlt.
Allerdings mit einem klitzekleinen Unterschied.
Deine Bestrafungen für ein Übermaß an Alkohol, hattest Du nach wenigen Stunden überstanden.
Der Tumorpatient aber weiß, dass er sich bereits am nächsten Tag wieder vergiften wird.
Und am übernächsten.
Und am überübernächsten auch.
Zwölf mal fünf Tage lang …

Selbstvergiftung

2/22

Würde ich gefragt, welche der drei Pfeile, mit denen die Ärzte und ich auf den Krebs schossen, mir am meisten zu schaffen machte, dann müßte ich keinen Sekunde überlegen.
Die mit großem Abstand größte Herausforderung, ich könnte auch das Wort “Qual” verwenden, war die Chemotherapie.
In meinem Fall erfolgte diese oral, also durch die Einnahme von Kapseln, die in etwa die  Größe eines Zäpfchens hatten, und wohl auch heute noch haben.
Bereits das Verschlucken dieser Teile, erzeugte zwangsläufig einen Brechreiz.
Doch der war, im Vergleich mit der kurze Zeit später einsetzenden Wirkung auf meinen Körper, nahezu unbedeutend, auch wenn die eine oder andere Kapsel nicht den Weg in meinen Magen fand, bzw. auf halben Wege wieder  umdrehte.
Noch heute empfinde ich die Bezeichnung “Therapie” für diese Folter, als unpassend. Dennoch werde ich sie weiter verwenden, denn immerhin, scheint sie gewirkt zu haben!
Wie sonst, sollte ich fast dreizehn Jahre später, diese Zeilen schreiben können? Dennoch: Das Medikament mit dem Namen “Temodal” ist für mich auch heute noch mit Erinnerungen verbunden, die sich nur schwer in Worte fassen lassen.
Faktisch stellte jeder einzelne Therapie-Zyklus, von denen es zwölf gab, eine systematische Vergiftung meines Körpers dar …

Reifenwechsel

3/22

„Ich lasse die Sommerreifen aufziehen!“
Als ich meiner Frau mit dieser Nachricht eine Freude mache möchte, liegt meine zweite Chemotherapie erst einen Tag hinter mir.
Mir geht es nicht wirklich gut, aber wie lange soll ich meiner Frau noch beim Arbeiten zusehen?
„Ich bin in einer Stunde zurück!“
Tatsächlich dauert die Fahrt zu meinem Reifenhändler kaum zehn Minuten, und er hält vergebene Termine ein.
Er ist schließlich kein Arzt!
Also glaube ich, was ich sage.
In einer Stunde bin ich zurück.
Während meinem Auto neue Schuhe verpasst werden, warte ich im Büro der Werkstatt.
Menschen kommen und gehen.
Das Telefon klingelt.
Menschen kommen.
Das Telefon klingelt.
Menschen gehen.
Das Telefon klingelt.
Der Kaffee in meiner Hand wird mir zu viel.
Ich muss an die frische Luft.
Alle sind beschäftigt.
Das Telefon klingelt.
Er kann jetzt nicht drangehen, Menschen kommen.
Raus hier.
Vor der Tür ein Anruf bei meiner Frau.
„Praxis Zahnärztin Kramer. Nein, Ihre Frau ist gerade in der Behandlung. Soll ich irgend etwas ausrichten?“
Nein, danke.
Da ist mein Auto.
Der Monteur schaut kurz auf, als ich ihn bitte, mich nach Hause zu fahren.
„Nein, das geht nicht!“ lacht er.
„Ich muß doch hier arbeiten!“
Mein Telefon klingelt.
„Frank? Kann ich Dir helfen?
Nein, mein Schatz.
Mir geht es nicht gut und ich komme nicht allein nach Hause.
Ich muß jetzt Schluß machen.
Ich habe Dich lieb.
Zurück ins Büro.
Kann ich mich hier irgendwo hinlegen?
Verständnislosigkeit.
Ich wurde am Gehirn operiert und mir geht es nicht gut!
Verständnislosigkeit.
Ruft die 112.
Hektik.
Ich darf mich hinlegen.
Endlich.
Ich werde im Büro einer Reifenbude sterben, während meine Frau nicht bei mir ist.
„Sie kommen!“
Die Frau kenn ich doch?
Die Rettungsärztin, mit der ich im Januar mein Schlafzimmer geteilt habe!
Diesmal habe ich wenigstens eine Hose an.
Jetzt wird alles gut.

Vierbettzimmer

4/22

Der Rettungswagen bringt mich ins Krankenhaus.
Weil ich auf der Fahrt dorthin von meiner gerade durchlaufenen Chemotherapie berichte, erklärt man die Onkologie als für mich zuständig.
„Die kennen sich mit den Folgen einer Chemotherapie am besten aus.“
Das ist das erste Mal, dass ich Patient einer Onkologie werde.
Seltsam.
„Ein Einzelzimmer haben wir für Sie nicht!“
Da ich nicht um ein solches bitte, ist das wohl eine Anspielung auf meinen Versicherungsstatus.
Geht das schon wieder los.
Ich habe es satt.
Außerhalb von Krankenhäusern hält mich jeder für reich, wenn ich sage, dass ich privat versichert bin.
Innerhalb von Krankenhäusern glaubt jeder, ich sei ein Arsch, der allein sein will.
Dass ich jeden Monat 550 Euro für meine Versicherung bezahle, obwohl ich keinen Cent verdiene, hat noch niemanden interessiert.
Auch nicht, dass ich das schon seit 20 Jahren tue und niemals krank war.
Sie schieben das Bett, in dem ich liege, auf den freien Platz in einem Vierbettzimmer.
Sechs interessierte Augen sind für die Abwechslung dankbar.
Ich bin in Sicherheit.
Schon auf der Fahrt hierher ging es mir besser, jetzt könnte ich theoretisch nach Hause.
Theoretisch.
Praktisch fühlt sich das Bett unter mir sehr gut an.
Die gerade durchlebte Todesangst hat mich restlos geschafft.
Ausruhen.

Gespräche

5/22

„Ist das hier die Tür zur Toilette?“
Das Gefühl, wider Erwarten noch zu leben, berauscht mich, macht mich geradezu glücklich.
Lange brauche ich deshalb nicht, um mich zu erholen und ich beginne, mich zu orientieren.
Die drei sehen erst sich, und dann mich schulterzuckend an.
„Das wird wohl die Toilette sein“, sagt schließlich der Mann im Bett zu meiner Rechten.
„Wir können das nicht sagen, von uns kann da keiner hin.“
Oh.
Es ist die Toilette.
Wieder zurück im Zimmer, will ich mich nützlich machen.
„Sagt mal, Jungs, soll ich nicht das Fenster ein wenig öffnen? Die Luft hier ist ganz schön verbraucht!“
„Oh, das war bestimmt ich“, erhalte ich als verschämte Antwort.
Mein Bettnachbar sieht mich traurig an, zeigt auf die Stelle unter seiner Bettdecke, wo ich, wie sich gleich zeigt zu recht, sein Gesäß vermute.
„Ich habe bestimmt wieder eingemacht.“
Ich verstehe nicht.
„Aber, ich merke das nicht!“, fügt er an.
Ich verstehe.
„Das meine ich nicht“, beeile ich mich zu versichern.
„Wir liegen hier zu viert und es ist kein Fenster auf, da ist die Luft nunmal schnell verbraucht!“
Er schaut mich dankbar an, seine Augen suchen ein Gespräch.
„Was hast Du denn, wenn Du nicht merkst, dass Du unter Dich machst?“
Unangemessen erscheint mir das Du nicht.
Männer, die einscheißen, sagen Du zueinander, beschließe ich spontan, zumal mein Gegenüber etwa in meinem Alter sein sollte.
„Leberkrebs.“
Stille.
„Magenkrebs.“
Stille.
„Darmkrebs“
Stille.
„Eigentlich überall“, schließt er ab.
„Da bist Du aber ziemlich im Arsch“, fasse ich meine Gedanken zusammen.
Er lächelt.
„Das stimmt!“
„Wäre ich nicht so im Arsch, wäre ich jetzt auch nicht hier, sondern auf meinem Boot!“
Er zeigt nach Draussen, wo die Sonne scheint.
Das Bett gegenüber meinem Fußende bekommt ein Gesicht.
„Du hast ein Boot? Da musst Du aber ganz schön Geld haben!“
„Ja, das habe ich. Als Vorstandsvorsitzender habe ich gutes Geld gehabt!“
Er schaut mir in die Augen und wir verstehen uns.
„Ich bin auch zur See gefahren, aber nicht auf einem Boot, sondern auf einem Schiff!“
Das Gespräch nimmt Fahrt auf, auch Bett vier wird lebendig.
„Was hast Du auf dem Schiff gemacht?“
„Ich war Heizer.“
Das interessiert mich.
„Wie, Heizer. So richtig mit Kohlen schaufeln und allem drum und dran, wie auf der Titanic?“
„Ja. Das ist ja der Grund, warum ich hier liege.“
„Wie das?“
„Na ja, die Pötte waren doch wegen der Brandgefahr alle komplett mit Asbest ausgeschlagen! Und da habe ich jahrelang unter Deck gearbeitet und den Scheiß eingeatmet!“
Bett vier, inzwischen weiß ich, dass er Rheinländer ist, sich nach seiner alten Heimat sehnt und mit Prostatakrebs im letzten Stadium hier ist, setzt nach:
„Na, da kriegst Du doch jetzt aber bestimmt eine gute Rente, oder?“
Er lacht.
„Ja, das hat mein Rechtsanwalt alles gut geregelt. Man, was ich jetzt für eine Rente kriege! Das hätte ich selbst nicht gedacht! 2200 Euro im Monat!“
Er strahlt über das ganze Gesicht.
„Da könnte ich mir jetzt auch ein Boot leisten“, wendet er sich an meinen Nebenmann, der aufmerksam zugehört hat.
„Was hast Du denn?“, frage ich ihn.
„Lungenkrebs.“
Ich werde diese drei nie vergessen, auch wenn ich nicht einmal ihre Namen kenne.
Den Vorstandsvorsitzenden, den Rheinländer und den Heizer.
Ich hoffe, es geht euch gut.

Pech

6/22

Weshalb ich einen Hirntumor hatte?
Soweit ich weiß, gibt es keine bekannten Ursachen dafür.
Das hat den Vorteil, dass ich mir keine Vorwürfe machen muss.
Nicht zu viel getrunken, nicht zu viel geraucht.
An eine schwarze Katze von links, der ich aus dem Wege hätte gehen müssen, kann ich mich auch nicht erinnern.
Ich habe nichts falsch gemacht.
Nichts.
Ich will hoffen, dass mir das in Zukunft besser gelingt.

Gaston

7/22

Als unsere Tochter vier war, wollte sie einen Hund.
Als sie vierzehn war, bekam sie ihn.
Wenig später zog sie in die weite Welt.
Gaston blieb.
Inzwischen ist er fast blind und kann wegen einer Bindegewebsschwäche nicht mehr kacken.
Und so hole ich alle paar Tage seinen Stuhl mit dem Mittelfinger meiner rechten Hand aus ihm raus.
Dass dieser in einem Latexhandschuh steckt, soll nicht unerwähnt bleiben.
In letzter Zeit kommt es schon mal vor, dass ich vergesse, ihn „auszuräumen“.
Dann versucht er, allein damit zurecht zu kommen.
Geht einfach in unseren Garten und hockt dort stundenlang.
Quält sich.
Vielleicht, weil ihm Finger im Hintern auch nicht gefallen.
Gestern ist wieder so ein Tag.
Gaston ist weg.
Hockt auf der Weide, welche an unser Grundstück grenzt.
Versucht, seinen Stuhl loszuwerden.
Manche Hundebesitzer meinen, ihr Hund würde sich „lösen“. wenn er mit den Hinterpfoten unter dem Kinn auf dem Fußweg sitzt.
Fachausdrücke fürs Kacken.
Soweit kommt es noch.
Bei Gaston löst sich jedenfalls nichts.
Ein großer, inzwischen sicher knochenharter Brocken Stuhl hat seinen Enddarm verschlossen.
Allein damit, würde er jetzt sterben.
Mein Hund stirbt nicht, nur weil er nicht mehr kacken kann.
In seiner Not reagiert er nicht auf meine Zurufe.
Das tut er sonst auch nicht, nur geht es da nicht um sein Leben.
Also krieche ich durch die Hecke, die mich von ihm trennt, um ihn nach Hause zu tragen.
Erst, als ich das Gestrüpp durchdringe, fällt mir der Draht dahinter auf.
Auch schon egal, denke ich.
Ich bin in der DDR groß geworden.
Ich kann kriechen.
Gaston sieht mir interessiert zu, gibt seine hässliche Körperhaltung jedoch keine Sekunde auf.
Schon gar nicht, um mir entgegen zu kommen.
Also muss ich komplett unter Hecke und Zaun durch, schnappe mir das Häufchen Elend, das einmal ein super niedlicher kleiner Hund war, und begebe mich auf den Rückweg.
Gaston auf den Händen krieche ich diesmal rückwärts unter dem Draht durch, die Hecke dahinter im Blick.
Letzteres hätte ich lassen sollen.
Denn um das Loch in der Hecke zu finden, muss ich meinen Kopf heben.
Meinen kahlen, schwitzenden Kopf.
Dieser berührt den Draht über mir in Höhe meiner OP- Narbe und ich bekomme einen elektrischen Schlag.
Ein Weidezaun.
Jetzt erst, etwas spät, erkenne ich ihn als solches und verstehe.
Was so ein Stromschlag doch alles bewirkt!

Ein Scherz

8/22

Heute ist der vierte von fünf Tagen meiner vierten Chemotherapie.
Seit der zweiten , nehme ich zusätzlich ein Mittel gegen die Übelkeit ein.
Seitdem muss ich mich nicht mehr so oft übergeben.
Als ich meinem Arzt sage, damit könne ich auch Salzsäure trinken, versteht er den Witz nicht und erahnt eine Verzweiflungstat.
Ich beruhige ihn und mache solche Scherze nicht mehr.

Platzangst

9/22

Ich bin achtzehn Jahre alt, als ich zum ersten Mal Platzangst spüre.
Viele Jahre später werde ich dafür einen wichtig klingenden Fachbegriff benutzen, weil sich dieser mehr nach Krankheit, als nach Feigling anhört.
Jetzt aber soll ich durch einen dunklen Tunnel kriechen, dessen Ende ich nicht sehe. Sadisten haben auf auf etwa halbem Wege einen Knick eingebaut..
Mit meinen damals sehr breiten Schultern, berühre ich rechts und links den feuchten Beton der Wände, mein Sturmgepäck auf dem Rücken schleift an der Decke der Röhre.
Ich habe ununterbrochen das Gefühl, stecken zu bleiben.
Warum man als Soldat durch enge Röhren kriechen muss, weiß ich bis heute nicht.
Ich bleibe nicht stecken und erreiche den Ausstieg schweißgebadet.

De ja vue

10/22

34 Jahre später stehe ich wieder vor einer Röhre.
Diesmal kann ich ihr Ende sehen, dafür ist sie erheblich enger.
Und ob ich will oder nicht: ich muss hinein.
Ohne diese Röhre, soviel steht fest, sind meine Überlebenschancen geringer.
Nur sie kann einen neu gewachsenen Tumor, ein Rezidiv, möglichst früh sichtbar machen.
Auf dem Blatt Papier, welches eine Schwester mir aushändigt, werde ich danach gefragt, ob ich Platzangst hätte.
Ich vermerke, dass ich Klaustrophobiker bin.
Bekomme ich jetzt eine größere Röhre?
Als ich den Zettel, der beweisen soll, dass ich hier freiwillig bin und für alles die Verantwortung übernehme, unterschrieben zurück gebe, wirft die Schwester einen flüchtigen Blick darauf.
„Sie auch?“
Ja, ich auch.
„Da müssen Sie sich nichts draus machen! Etwa drei von zehn unserer Patienten haben Platzangst!“
Na, was bin ich da erleichtert!
Meine Angst ist um nichts geringer als zuvor.
Dank der empathischen Unterstützung des Personals, schäme ich mich jetzt aber nicht mehr deswegen.
Reiß dich zusammen, schreie ich mich an.
Und lächele, während ich auf dem elektrischen Schlitten, der mich in das Innere des MRT fahren wird, fixiert werde.
Elektrischer Schlitten, elektrischer Stuhl.
Das Plappern der Schwester wird vom Kopfhörer, den sie mir aufsetzt, gedämpft.
Ich schließe die Augen und spüre, wie die Maschine mich schluckt.

Roboter

11/22

Die Röhre des MRT ist so eng, dass meine Schultern sie berühren.
Um meine Kontur schmaler zu machen, falte ich die Hände über meinem Bauch.
Diesmal trage ich mein Sturmgepäck vorn, denke ich.
Das Lachen über diesen Gedanken verschiebe ich auf später, denn jetzt höre ich Musik im Kopfhörer auf meinen Ohren.
Musik.
Das ist gut.
„Es fällt mir schwer,
ohne Dich zu leben,
jeden Tag zu jeder Zeit
einfach alles zu geben.
Ich denk‘ so oft
zurück an das was war,
an jenem so geliebten vergangenen Tag.
Ich stell‘ mir vor,
dass Du zu mir stehst,
und jeden meiner Wege
an meiner Seite gehst.
Ich denke an so vieles
seit dem Du nicht mehr bist,
denn Du hast mir gezeigt,
wie wertvoll das Leben ist.“
Ich drücke den Panikknopf in meinen Händen.
Ich will hier raus!
Sofort!
Raus hier!
Warum dauert das so lange!?
„Warum spielen Sie mir Beerdigungslieder vor!?“, schreie ich die Krankenschwester an.
„Ich weiß nicht, was auf der CD ist. Bisher hat die Musik jedem gefallen.“
Sie hat nicht die geringste Ahnung von dem, was ich durchmache.
Sie hat nur eine Ahnung, wie man Knöpfe drückt.
Ich spüre, dass ich ein Leben dazu bräuchte, ihr ein Verständnis für meine Situation zu vermitteln.
Ich resigniere.
Zurück in die Röhre?
Niemals.
„Soll ich jemanden von der Station holen?“
Eine zweite Schwester hat den Raum betreten und schaut fragend…nicht zu mir.
„Was soll mir das helfen?“, frage ich sie.
„Na, Ihnen gar nichts, aber dann bleibt die Maschine nicht ungenutzt.“
Ich verstehe.
Für die beiden bin ich Geschichte.
So nicht, meine Damen.
Ich werde nicht auf diese Untersuchung verzichten, nur weil dieser Roboter von Robotern bedient wird!

Zu Ende denken

12/22

Ich lege mich wieder auf die Liege und habe nicht die geringste Vorstellung davon, wie ich die nächsten Minuten überstehen soll.
Mein Kopf wird fixiert, der Schlitten bewegt sich, das Letzte was mir eine der beiden Roboter zuruft:
„Denken Sie sich einfach weg von hier.“
Da ich jetzt keine Musik mehr eingespielt bekomme, gelingt das natürlich nicht einmal im Ansatz.
Ich öffne die Augen.
Panik.
Ich will hier raus.
Jetzt.
Nein.
Ich darf hier nicht raus!
Die Hand will den Panikknopf drücken, mein Kopf verbietet es ihr.
Zu Ende denken!
„Was ist der Grund Ihrer Angst? Denken Sie zu Ende!“
Warum habe ich Angst?
Wovor?
Ich beginne, zu Ende zu denken.
„Denken Sie sich einfach weg!“
Was für ein Quatsch!
Ich beginne, mich ganz bewusst, in diese Röhre hineinzudenken!
Ich liege in einem sündhaft teuren medizinischen Hochleistungsgerät.
Die Untersuchung darin, steht den wenigsten Menschen auf der Erde zur Verfügung.
Mehrere Mediziner überwachen mich.
Die Röhre ist eng, aber sie wird nicht enger.
Meine Psychotherapeutin wäre stolz auf mich.
Ich bin es auch.
Denn mit jedem dieser Gedanken, fällt ein kleines Stück Panik von mir ab, und die unendlich laute Maschine, in der ich liege, kann ihre Arbeit machen.
„Die Untersuchung ist beendet. Wir holen Sie jetzt raus.“
Ich habe meine Angst besiegt.
Zu Ende denken.
Was für ein Rat!

Plötzlich und unerwartet

13/22

Ein deutsches Ehepaar, beide unter 30, ertrank, weil sein Auto beim Verlassen einer Fähre im Hafen von Genua von der Laderampe stürzte. Das Schiff hatte sich bewegt und so den tödlichen Spalt freigegeben.
Ich beginne zu verstehen, weshalb ich immer wieder auf Unglücke, Unfälle und plötzliche Todesfälle aufmerksam werde. Diese Menschen waren in der Mehrzahl sicher nicht todkrank, hatten Pläne, schauten in eine ferne Zukunft. Im Unterschied zu mir und anderen schwer Erkrankten, haben sie nicht über die Möglichkeit eines frühen oder gar plötzlichen Todes nachgedacht.
Urlaub, Reise, Freizeit. Tod.
Man muß keinen Tumor  haben, um früh zu sterben.
All die Menschen, auf deren tragisches Ende ich aufmerksam werde, habe ich überlebt, nicht selten schon heute deutlich länger gelebt als sie. Ich meine, es ist Zeit, dankbar zu sein.
Dankbar dafür, daß ich die Chance habe, an meiner Situation etwas zu ändern.
Dankbar dafür, daß ich die Chance habe, mein Leben zu ordnen, Fehler zu korrigieren, mich zu bedanken, zu entschuldigen.
Und dankbar dafür, daß ich mich verabschieden kann, wenn es soweit ist, wann immer es soweit ist.
Die Menschen in den Nachrichten, die konnten das nicht.

Mindesthaltbarkeit

14/22

„Dann wäre es vielleicht besser gewesen, er wäre gestorben!“
Diesen Satz habe ich in meinem Leben öfter gehört.
Meist im Zusammenhang mit schweren Krankheiten oder Unfällen.
„Querschnittgelähmt? Oh Gott, dann wäre es vielleicht besser…“
„Krebs? Oh Gott, dann wäre es…“
Jetzt hört mal alle her, ihr Pfeifen, die ihr diesen Mist vielleicht sogar glaubt, während ihr ihn aussprecht:
Das Leben hat kein Mindesthaltbarkeitsdatum!
„Oh, nicht mehr frisch! Was, das hat ja schon braune Stellen!“
Nein, so ist das nicht.
Es ist auch nicht so, wie in kitschigen Filmen oder auf Messen für Behinderte.
Da hat man mitunter den Eindruck, man könne erst im Rollstuhl glücklich sein.
Mit einer Querschnittlähmung, mit einem Hirntumor, wird das Leben nicht besser.
Es wird aber auch nicht weniger wert, als es das vorher war.
Wenn ich das nächste Mal den Satz höre „Dann wäre es vielleicht besser…“ mache ich jedenfalls von meiner relativ plausiblen Unzurechnungsfähigkeit Gebrauch.
Wenn mir Paralympics – Teilnehmer, mal wieder als die vermeintlich besseren Sportler verkauft werden sollen, allerdings auch.

Warte-Zimmer

15/22

Mein Termin: 12.00 Uhr.
Ich habe Schmerzen im rechten Oberschenkel. Um eine mögliche Thrombose ausschließen, warte ich auf eine Ultraschalluntersuchung.
Als Kind sitze ich oft im stickigen Vorzimmer einer Ärztin, um meiner chronisch kranken Mutter, Wartezeit zu ersparen. Zwei, drei Stunden unter meist alten und hustenden Menschen sind die Regel. Damals verstehe ich nicht, warum Ärzte sich nicht nach der Uhr richten können.
Inzwischen denke ich, dass es für überfüllte Wartezimmer auch andere Gründe gibt.
1. möglicher Grund
Der Arzt kann sich nach der Uhr richten, nur ist es ihm scheißegal, ob jemand auf ihn wartet. Schließlich hat er lange studiert und ist wichtig.
2. möglicher Grund
Der Arzt kann sich nach der Uhr richten, nur hilft ihm das nicht, den Tag zu strukturieren. Im Bewusstsein, am Fortgang der Zeit nichts ändern zu können, tut er, was er tut, in der immer gleichen Abfolge, immer in der gleichen Geschwindigkeit. Dass sein Wartezimmer brechend voll ist, sieht er  als Anerkennung seiner Leistung, nicht als Folge seiner organisatorischen Unfähigkeit.
3. möglicher Grund
Der Arzt kann sich nach der Uhr richten, arbeitet jedoch in einem Fachgebiet, in dem Unvorhergesehenes die Regel ist. Zahnschmerzen, Unfälle, die Liste des nicht Planbaren ist lang. Obwohl der Tagesablauf dadurch regelmäßig durcheinander kommt, wird Zeit für Unvorhergesehenes dennoch nicht eingeplant. Ist ja nicht vorhersehbar.
4. möglicher Grund
Der Arzt kann sich nach der Uhr richten, wird durch seine meist alten und einsamen Patienten jedoch so zugetextet, daß die für die Behandlung eingeplante Zeit regelmäßig nicht ausreicht. Das Gespräch zu beenden und später fortzusetzen, hält er für ethisch nicht vertretbar. Die tausenden von Wartezimmerstunden seiner Patienten hingegen schon. Zusätzliche Zeit zu verplanen, um dem wachsenden Gesprächsbedarf einer alternden Gesellschaft gerecht zu werden, wird aus wirtschaftlichen Gründen, nicht in Betracht gezogen. Die Gespräche werden dennoch geführt.
5. möglicher Grund
Der Arzt kann sich nach der Uhr richten, nur hat er in seiner Praxis nicht das Sagen. Das übernimmt der meist weibliche Feldwebel an der Anmeldung. Der hat das schon immer so gemacht. Weil der Arzt die unreinen Räume seiner Praxis tagsüber nicht betreten, stört ihn die verbrauchte Luft darin nicht. Die Rezeption ist zuverlässig gut belüftet und machtschwanger.
6. möglicher Grund
Der Arzt kann sich nicht nach der Uhr richten.
„Herr Kramer!“
Oh, bin ich schon dran?
Es ist 13.30 Uhr.

16/22

Eine böse Sache

„Das war eine böse Sache!“
Er schaut mich erwartungsvoll an.
Wir sitzen in einem Flur des Klinikums, wohin er seine an Brustkrebs erkrankte Frau zur ambulanten Chemotherapie begleitet hat, und erzählt mir seit nun fast einer halben Stunde schon von Bekannten und Nachbarn, die an „fürchterlichen Krebsarten“ gestorben sind.
„Das müssen Sie sich einmal vorstellen: Augenkrebs!“
Wann werde ich endlich aufgerufen?
„Oder mein (ich habe vergessen, was er sagt): Bauchspeicheldrüsenkrebs! Hat nur noch ein paar Wochen gelebt!“
Ich lege mein iPhone, auf das ich seit Minuten starre, als sähe ich es zum ersten Mal, laut durchatmend zur Seite.
„Ach wissen Sie, eigentlich bin ich mit meinem Krebs im Gehirn ganz zufrieden.“
Er beschließt, vor der Tür auf seine nicht unsympathische Frau zu warten.

Eigentlich

17/22

“Na ja, eigentlich müssten Sie das Keppra schon weiter einnehmen!”
Ich frage meinen Arzt, wie lange noch, ich ein Medikament, das erneuten epileptischen Anfällen vorbeugen soll, einnehmen muß.
Immerhin hat es, wie jedes Medikament, Nebenwirkungen.
In diesem Falle verändern sie mein Wesen. Wie bei einem Antiepileptikum nicht anders zu erwarten, schraubt das Zeug am mir verbliebenden Teil meines Gehirns. Ich werde aggressiv, stehe immer etwas neben mir.
Das gefällt mir nicht.
Also möchte ich, wenn möglich, darauf verzichten.
Und bekomme einen Satz, der mit “eigentlich” beginnt, zur Antwort.
Ich mag dieses Wort nicht.
“Wissen Sie,”antworte ich ihm, “ich sehe das so.
Der Tumor hat auf mein Gehirn gedrückt und damit einen epileptischen Anfall ausgelöst.
Das verstehe ich.
Jetzt ist der Tumor durch die OP entfernt worden, kann also nicht mehr aufs Gehirn drücken.
Wo ist das Problem?”
“Das Problem ist, dass Sie einen Anfall hatten und vieles dafür spricht, dass Sie wieder einen bekommen können!”
“Weshalb?”
“Weil an Ihrem Gehirn operiert wurde, weil dort jetzt eine Narbe ist und weil Sie durch die Umstände insgesamt Krampfanfall gefährdeter sind, als hätte man Sie nicht operiert!”
Das verstehe ich.
“Ja, aber kann man denn nicht feststellen, ob ich Krampfanfall gefährdet bin bzw. in welchem Maße?”
“Doch, das kann man abklären. Mit einem EEG.”
Wenige Tage später liege ich beim Neurologen, eine Vielzahl von Kontakten werden auf meine Kopfhaut geklebt, das Ganze dauert etwa eine halbe Stunde.
Gemessen werden Hirnströme, sagt man mir.
Nach etwa zwanzig Minuten, können das nicht mehr so viele sein, denn ich schlafe ein und muß geweckt werden.
“Das sieht doch ganz gut aus!”, heißt es zwei Wochen später.
“Diese zwei Spikes hier”, er zeigt mir das EEG auf seinem Schreibtisch nicht, wohlwissend dass ich es ohnehin für seismografische Aufzeichnungen halten könnte, “diese zwei Spikes lassen auf eine leicht erhöhte Krampfanfälligkeit schließen.”
Hmmm.
Er deutet mein Schweigen richtig und ergänzt:
“Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Sie einen Krampfanfall bekommen können, leicht gesteigert ist. Das heißt nicht, daß Sie tatsächlich einen Krampfanfall bekommen!”
“Außerdem”, fährt er fort, “außerdem liegt Ihre OP noch nicht so lange zurück. Da muss man die Narbenbildung berücksichtigen und…”
“Ja aber, heißt das dann nicht, dass ich das Keppra absetzen bzw. in der Dosierung zurückfahren kann?”
Er zögert.
Und langsam beginne ich zu verstehen.
Ich verlange von meinen Ärzten Unmögliches.
Solange ich meine Medikamente einnehme, wird sie niemand zur Rechenschaft ziehen, sollte mir etwas passieren.
Setzen sie jedoch Medikamente ab, reduzieren sie deren Dosis, werden sie, auch wenn sie dies selbst für vertretbar halten, ggf. sehrwohl Rechenschaft ablegen müssen.
Gegen solch ein Damoklesschwert wiegen die Nebenwirkungen, die ich zu verkraften habe, zumindest aus ihrer Sicht, natürlich lächerlich gering.
Und so nehme ich von diesem Tag an erst die halbe Tagesdosis, später ein viertel und schließlich gar nichts mehr.
Seit einer Woche lebe ich ohne ein Antiepileptikum.
Und frage meine Ärzte nicht mehr, ob ich ein Medikament absetzen darf, sondern, für wie vernünftig sie dies halten.
Reagieren sie entsetzt, nehme ich meine Pillen konsequent weiter.
Beginnt die Antwort hingegen mit “eigentlich”…

Positiv denken

18/22

„Sie hatten einen Hirntumor!“
Ich stehe mit Gaston bei der Hundefriseurin und werde gefragt, was mit meinem linken Arm los ist. Ich würde den Hund ja gar nicht richtig halten.
„Der Arm ist o.k.“ antworte ich.
„Nur die Steuerung im Kopf ist defekt.“ Ich will nicht immer mit dem Begriff „Hirntumor“ um mich schmeißen, das macht schnell schlechte Laune. Diesmal gelingt mir die Umschreibung nicht wirklich gut, denn sie sieht mich an, als hätte ich ihr in Mandarin geantwortet.
Ich gebe auf.
„Was ich meine ist, dass der Arm völlig in Ordnung ist, nur mein Gehirn ist krank. Ich habe einen Hirntumor.“
Während ich angestrengt versuche, Gaston festzuhalten, drehe ich meinen Kopf so, dass sie die kahle Stelle sehen kann.
„Ich wurde im Januar operiert und habe die letzte Chemotherapie gerade hinter mir.“
„Das heißt, Sie hatten einen Tumor!“, lacht sie mich an.
Wie bitte?
„Na ja, Sie sind operiert worden, also ist der Tumor doch weg!“
Hmmm.
Eine Stunde lang höre ich mir an, dass ihre Mutter auch einen Hirntumor hatte, damit aber prima leben konnte, dass sie als Kind einen komplizierten Armbruch überstehen musste und der Sex mit ihren dritten Mann sehr gut ist.
„Positiv denken muß man, sonst geht man unter.“
Ich nicke, als Zeichen, dass ich zuhöre.
Ich nicke schon seit einer Stunde.
Denn ihr mit größter Selbstverständlichkeit ausgesprochenes „…also ist der Tumor doch weg!“ hat Besitz von mir ergriffen.
Das Trinkgeld hält sie für die Anerkennung ihrer Arbeit als Hundefriseurin.
„Der Tumor ist weg!“
Hmmm…
Das ist mir 10 Euro wert.

Ökonomisches Kotzen

19/22

„Und dann hat er Ihnen alternativ noch…aufgeschrieben.“
Die Apothekerin sieht kurz von dem Rezept auf, das ich ihr gereicht habe.
Ich zucke die Schultern.
„Und warum hat er das gemacht?“
Sie tippt auf Ihrem Kassencomputer herum und nickt, als sie ihre Vermutung bestätigt findet.
„Das Zofran, das Sie bislang nehmen, ist etwa 40 Euro teurer. Das neue Medikament ist billiger.“
Zofran hilft mir zuverlässig, die bevorstehende Chemo besser zu überstehen, indem es die Übelkeit direkt in meinem Kopf abschaltet.
Mein Blick wandert zu dem Temodal, das bereits vor mir steht und das ich in den nächsten fünf Tagen einnehmen werde.
„Wenn ich das Zeug hier auskotze, kostet jeder Eimer, den ich ins Klo schütte über 700 Euro.“
Sie ist irritiert und ich komme um eine Erklärung nicht herum
„Das Temodal kostet 3795 Euro und reicht für fünf Tage. Macht pro Tag fast 800 Euro.“
Jetzt versteht sie mich.
„Ganz abgesehen von den Kosten die entstehen, weil das Erbrochene nicht den Krebs bekämpfen kann.“
Sie starrt auf Ihren Bildschirm, auf dem eine Summe steht, für den ich einen Kleinwagen kaufen könnte.
„Ich kann das billigere Anti-Kotz-Präparat ja gern ausprobieren, um meiner Versicherung acht  Euro am Tag zu ersparen. Für wie vernünftig halten Sie das?“
Ohne ein weiteres Wort packt sie das Medikament, von dem wir beide nicht wissen, ob ich es vertrage und ob es mir hilft, zurück ins Regal.
Meine fünfte Chemo beginnt….
Jetzt.

Wasser im Vergaser

20/22

„Liebling, kannst Du mich bitte abholen? Unser Auto fährt nicht mehr. Es hat Wasser im Vergaser.“
„Wieso hat unser Auto Wasser im Vergaser? Wo stehst du denn?“
„Im Hafenbecken.“
Gerade will ich meiner Frau davon erzählen, dass mir der linke Arm weh tut, dass die Schmerzen stetig zunehmen, da kommt mir diese kleine Geschichte in den Sinn.
Es sind nicht die Hand und nicht der Arm, die schmerzen. Es ist mein Gehirn, das, vom Temodal vergiftet, falsche Signale sendet und empfängt. Meine Hand ist völlig in Ordnung. Es macht keinen Sinn, meiner Frau zu erzählen, dass ich Wasser im Vergaser habe. Noch dazu sie weiß, dass ich mitten im Hafenbecken stehe.
Am Tag vier, meiner fünften Chemotherapie.

Erinnerung

21/22

Auch heute werden Menschen erfahren, dass sie schwer erkrankt sind.
Einigen wird man sagen, dass sie gute Chancen haben zu überleben.
Anderen wird man raten, die Sachen zu ordnen.
Allen wird der Tod zum ständigen Begleiter.
Und nur den wenigsten wird auffallen, dass er das schon immer war.
Denn Krebs ist nicht die Nachricht davon, dass man sterben wird.
Krebs ist die Erinnerung daran, dass es garantiert geschieht …

Danke

22/22

Als heute ein Rezept für das noch benötigte Temodal in einem Brief eintrifft, ist ein gelber Zettel daran geheftet.
„Lieber Herr Kramer,
das müsste nach meinen Aufzeichnungen der zwölfte und wirklich letzte Zyklus Ihrer Chemotherapie sein.
Herzliche Grüße.“
Ich muss lächeln und bin gerührt.
Seit Jahren hat mich niemand mehr mit „lieber Herr Kramer“ angesprochen.
Mein Arzt tut das!
Überhaupt behandelt er mich seit nun schon einem Jahr mit großem Respekt und einer menschlichen Wärme, wie ich sie bei einem Professor nicht erwartet hätte.
Niemals hat er mir meine Würde genommen, indem er mich bevormundete. Nie war ich der dumme Patient und er der allwissende Arzt.
Das hat gut getan, hat mich darin bestärkt, für mich einzustehen, meine Verantwortung für mich selbst, nicht an der Kliniktür abzugeben.
Jetzt, nachdem ich es geschafft habe, den Tag der Geburt meines zweiten Enkelkindes zu erleben, ist es an der Zeit, Danke zu sagen.
Danke, ihr wunderbaren Chirurgen, Radiologen, Neurologen, Onkologen, Psychologen, Schwestern, MTA’s, Pfleger und Reinigungskräfte der Uniklinik Halle an der Saale!
Wenn ich mal wieder einen Tumor habe, dann weiß ich, wo ich euch finden kann.
Danke.

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